28.12.2025 – Schöne Bescherung. Prognosen für 2026.

Weihnachtsbaum vor der Niederlassung der Firma ZF in Hannover-Linden. ZF, Maschinenbau, weltweiter Technologiekonzern in Sachen Mobilität, hat an zwei Standorten in Hannover ungefähr 2.200 Mitarbeiter*innen. Beide Standorte sind von Schließung bedroht. Mein ehemaliger hannöverscher Arbeitgeber Krauss-Maffei, vormals Berstorff GmbH, auch Maschinenbau, hat ca. 750 Mitarbeiter*innen. Dort ist für 2026 Kurzarbeit geplant. Kurzarbeit kann, muss nicht, das drohende Ende einer Firma bedeuten. Ca. 3.000 gut hoch qualifizierte und ordentlich bezahlte Facharbeiterinnen und Ingenieure, die im schlimmsten Fall ihren Job verlieren. Nur in dieser Region. Und da wäre von der Zulieferindustrie noch gar nicht die Rede.

 Viele, sehr viele, Betroffene haben hohe Verpflichtungen, Kredit fürs Häuschen im Grünen, zwei Autos, zwei Urlaube, studierende Kinder, da darf nichts passieren. Tut es aber, immer häufiger, immer schneller. Auch abzulesen an der wachsenden Zahl von Eigenheim-Zwangsversteigerungen, plus 10 Prozent. Was die derzeitige bundesweite Krise im Maschinenbau, aber nicht nur da, für Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft haben, lässt mit etwas Phantasie hochrechnen: Wachsende Arbeitslosigkeit, steigende Armutszahlen, mehr Privatinsolvenzen, in der Folge Anstieg von Sozial- und Gesundheitskosten auf Grund wachsender Morbidität, Erwerbsunfähigkeit, Frühverrentung. Weiter: Verlust an Kaufkraft und Steuern in der Region, mit Auswirkungen auf die ohnehin marode Infrastruktur, auf nachgeordnete Dienstleistungen wie Gastronomie, Einzelhandel, weitere Verödung der Innenstädte, zunehmende Segregation der Quartiere, sinkende Standortattraktivität.  … Und so weiter. Am Ende weiterer Demokratieverlust, Anstieg der AfD. Es gibt mit Sicherheit Tools, mit denen sich die Folgekosten und Auswirkungen von wachsender Arbeitslosigkeit in einer Region skalieren lassen. Früher haben Programmierer solche Tools erstellt. Brauchen wir nicht mehr. Macht eine KI.

Hier könnte, müsste die Politik proaktiv eingreifen und die sozialen Sicherungssysteme stärken, bis die derzeitige Krise überwunden ist, um die Krisenfolgekosten so niedrig wie möglich zu halten. Tut sie aber nicht. Sie macht exakt das Gegenteil. Sie spart prozyklisch in die Krise hinein, den Sozialstaat kaputt. Ein mögliches Resultat einer derart unterkomplexen Politik zeigt ein Blick ins Geschichtsbuch: Das Ergebnis der prozyklischen Sparpolitik von Reichskanzler Brüning in die Krise Anfang der Dreißiger war Adolf Hitler

Schöne Bescherung.

So weit so düster – wie üblich. Für etwas heitere Abwechslung soll daher ein Ausblick auf 2026 sorgen. Das journalistische Feuilleton würde es nennen: Perspektiven 26. Es ist aber nichts weiter als Kaffeesatzleserei und Glaskugelbeschwörung. Also genau das, was ich im letzten Blog so heftig kritisiert habe: Esoterik. Nur verdiene ich kein Geld damit, mache das zu meinem Vergnügen. Meine Prognosen von Heute werde ich mir am 28.12.2026 wiedervorlegen und mich dann darüber amüsieren.

Hier also mein Kaffeesatz, sorry, meine Prognosen für 2026 für ein paar ausgewählte Bereiche, den wichtigsten, zumindest für alle Hirnis im Land, zuerst:

Fußball-WM: Deutschland fliegt vor dem Halbfinale raus. Spanien wird Weltmeister

Landtags-Wahlen im September 2026:

Berlin: Linke 20 %, CDU 20 %, AfD 18 %, Grüne 15 %, SPD 12 %. Rotrotgrüner Senat mit Bürgermeisterin der Linken.

Sachsen-Anhalt: AfD 40 %, CDU 24 %, Linke 14 %. Alle anderen, inklusiver SPD, Grüne, BSW unter 5 %. Alleinregierung der AfD.

Meck-Pomm: AfD 40 %, SPD 17 %, CDU 10 %, Linke 15 %, BSW 6 %. Minderheitsregierung der AfD, unter Duldung der CDU.

DAX: 26.000 (Heute: 24.000 )

Gold: 6.000 $ (Heute: 4.500 )

Silber: 150 $ (Heute: 80 )

Armutsquote (2025): 16,5 Prozent (15,5 für 2024, laut. Stat. Bundesamt)

Arbeitslosigkeit: 7 % (Aktuell 6 %)

Warnhinweis: Kommen Sie um Himmelswillen nicht auf die Idee, sich bei Ihrem Portfolio nach dieser Kaffeesatzleserei zu orientieren. Ein einziges, völlig unvorhersehbares Ereignis beispielsweise wie die Lehmanpleite 2008 kann die Aktienkurse derart einbrechen lassen, dass es über 10 Jahre dauert, bis die sich wieder in eine Gewinnzone erholen. Halten Sie es lieber mit dem Nihilismus von George Best . Wenn Sie überhaupt Kohle übrig haben, männlich sind und nicht alle Tassen im Schrank haben.

26.12.2025 – Trends 2026

Strumpf Vitrine. Bei diesem Anblick überfiel mich eine wehmütige Sehnsucht nach einer Zeit, in der es noch Strumpf-Vitrinen gab. Es war eine vermeintlich heile, übersichtliche Welt. Ich war jung, Zukunft spielte keine Rolle. Das Schlimmste, was passieren konnte: Man kotzte nach durchzechter Nacht im Morgengrauen vor einer Strumpf-Vitrine auf den Bürgersteig. Ob das im Bild oben immer noch mein Kotzhaufen von damals ist?

Gutes Benehmen sieht natürlich anders aus.

Laut Spiegel gibt es neue Trends. Benimmkurse boomen. Im Hamburger „Vier Jahreszeiten“ werden Kurse für Kinder ab vier angeboten, vier Stunden für 245 Euro, inklusive Dreigängemenü. Hier werden, Affen gleich, Kinder des Kapitals dressiert für den Kampf ums Überleben, auch am Büfett.

Da wär ich gerne dabei, wenn denen beigebracht wird, dass es einem Kapitalverbrechen gleichkommt, wenn man einen Barolo aus einem Burgunderglas trinkt. Ob die dann auch, gleich mir in frühen Jahren, ihre Kotzsignaturen vor dem Vier Jahreszeiten in das hanseatische Pfeffersackpflaster stempeln?

Man kann das krank und dekadent finden, leider ist es aber viel schlimmer. Es ist Ausdruck des Klassenkampfes, der nach wie vor und erbarmungsloser denn je, zwischen den Vier Jahreszeiten und den Strumpf-Vitrinen dieser Welt stattfindet. Benimmregeln, bürgerliche Anstandsregeln, vom Adel geborgt, waren schon immer Ausgrenzungsstrategien des aufstrebenden Bürgertums gegen den Mob, der nach oben strebte und auf Abstand gehalten werden musste, ökonomisch, kulturell, habituell. Zeige mir, wie Du isst, und ich sage Dir, wer Du bist. Draußen geht die Welt kaputt und dieser Zustand muss ums Verrecken vor den Pforten des Vier Jahreszeiten gehalten werden. Die Kettenhunde, Bastarde und Erben des Kapitals müssen für ihr späteres mörderisches Handwerk auf den Weltmärkten wenigstens einen zivilisatorischen Lack erhalten, wenn es für Kultur schon nicht reicht. Dressed to kill, Eintritt ab vier Jahren. Und wenn man über die Verlotterung der Sitten klagt, die älteste Klage der Menschheit, lenkt man wunderbar von der Verrohung der Gesellschaft ab. Das Eine, die Verlotterung, ist individuelles Versagen, welches in Seminaren weggebügelt werden kann. Das Andere, die Verrohung, ist das Produkt des neoliberalen Kapitalismus als Menetekel eines nahenden Faschismus…

Ebenso bedenklich, aber wenigstens lächerlicher, ein anderer Trend, der auf den ohnehin explodierenden (irgendwie eine meiner Lieblingsvokabeln, jede Zeit findet ihren sprachlichen Ausdruck) Esoterikwahn in unserer Gesellschaft aufsetzt. »Etsy-Hexen« sind der neue spirituelle Trend (Etsy ist eigentlich eine Verkaufsplattform für Handwerks-Gedöns). Wahrsagerinnen und Schamanen versprechen, im Rahmen der Tiktokisierung der Welt, auf Onlineplattformen für 35,51 Euro mit magischen Ritualen die Liebe zurückzubringen, die Regelblutung dem Urlaub anzupassen, einen neuen Job etc. pp…

Die Schlauen, die Onlinescharlatane, leben von der Dummheit der Käufer. Auch das ein ehernes Gesetz des Kapitalismus.

Im Ausgang der „guten, alten“ Zeiten, siehe oben, in den Achtzigern, verschwanden peu a peu die linken Buchhandlungen aus dem Stadtbild (das dürfte den Fachmann für Stadtbildreinigungen, den Sauerlandrocker Fritze Tünkram, gefreut haben), dafür schossen Esoterikläden mit Volksverdummungsliteratur, Mondsteinen und anderem Gedöns aus dem Boden wie Magic Mushrooms nach einem warmen Regen. Die Utopie einer kollektiven, solidarischen, emanzipatorischen Welt war in den Kinderschuhen nicht nur der RAF kläglich eingegangen. Die Kinder von Marx und Engels retirierten ins individuelle Glück der Selbstverwirklichung und Selbstoptimierung, die Enkel landeten nach diesem langen Marsch als Etsy-Hexen.

Das ist ebenso verständlich wie logisch. Das Abtauchen der Welt in Irrsinn produziert Angst, Überforderung. Parallel zum Boom von Esoterik und Aberglauben nehmen psychische Erkrankungen zu, steigt der Verbrauch an Psychopharmaka. Das ist die dunkel-pathologische Kehrseite der gleichen Medaille, auf deren strahlenden Vorderseite uns die Etsy-Hexen anlachen. Wohl dem daher, der einen breitgestreuten Pharma-ETF in seinem Portfolio hat.

Wahrlich, wahrlich, ich aber verkünde Euch, liebe Leserinnen, eine frohe Botschaft der Hoffnung zum Christfest: Ich habe bei meiner Lieblings-Etsy-Hexe einen Fluch bestellt, wonach alle Leute Donald Trump hassen sollen.

Das Gleiche hatte die Website Jezebel gemacht für den rechten Hetzer Charlie Kirk. Wenige Tage später wurde Kirk erschossen.

Frohe Festtage, liebe Leserinnen.

24.12.2025 – Weihnachten 2025: Hauch wech die Scheiße

Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Im vorliegenden Fall ist das die weihnachtliche PM vom Landesamt für Statistik Niedersachsen: „Klärschlammmenge aus öffentlicher Abwasserbehandlung in Niedersachsen 2024 um 6,1% gestiegen“. Zitat:

„In Niedersachsen wurden im Jahr 2024 im Rahmen der öffentlichen Abwasserentsorgung rund 166.100 Tonnen Klärschlammtrockenmasse aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen direkt und ohne Zwischenlagerung entsorgt. Das ist laut Landesamt für Statistik Niedersachsen (LSN) ein Anstieg um 6,1% im Vergleich zu 2023.

Wie das LSN weiter mitteilt, wurden 70.100 Tonnen Klärschlammtrockenmasse stofflich wieder dem Boden zugeführt, d.h. bodenbezogen verwertet. Der größte Anteil entfiel auf die Landwirtschaft, die mit 45.100 Tonnen 6,9% weniger aufnahm als 2023. Dahinter folgten die Vererdung und Kompostierung mit zusammen 24.100 Tonnen Trockenmasse. Schließlich wurden knapp 900 Tonnen für eine Verwendung im Rahmen landschaftsbaulicher Maßnahmen gemeldet.“

Das mit Schwertern zu Pflugscharen hat ja irgendwie nicht geklappt. Aber wenn schon nicht friedensbewegt, so schleicht die Schnecke Fortschritt wenigstens ökobewegt ein wenig voran: Scheiße zu Landschaftsbauten. 900 Tonnen, vor meinem inneren Auge türmt sich ein riesiger brauner Pavillon auf. In der Lüneburger Heide, Heimat so vieler Alt- und Jungnazis.

Der Funken Hoffnung, Frohsinn und guter Laune, den mir das LSN, unverzichtbarer Begleiter so vieler PMen in all den Jahren, pünktlich zu Weihnachten geschenkt hat, wird ein wenig getrübt durch die fehlende Faktenlage zu 7.900Tonnen Klärschlammtrockenmasse. Was, bitteschön, darf ich mir unter dem Satz vorstellen: „Die Art der weiteren Entsorgung der restlichen 7.900 Tonnen Klärschlammtrockenmasse (4,8%) war nicht bekannt.“

Ich bitte Sie, liebe Leserinnen, zur Verdeutlichung dieses unfassbaren Skandals einfach mal, 7.900 Tonnen Klärschlammtrockenmasse kubikmetermässig zu visualisieren: Ein über die Jahrzehnte angewachsener Monsterberg von Scheiße, bei dem niemand weiß, wo er abgeblieben ist?

Trügt mich meine Erinnerung oder waltet im LSN immer noch ein sinisterer Sinn für Humor, den ich zu aktiven Zeiten goutiert habe?

Wie auch immer, ich hoffe, Sie liebe Leserinnen, gehen nun ähnlich wie ich fröhlich und festlich gestimmt in das Weihnachtsfest. Ich wünsche Ihnen eine entspannte Jahresendzeit und der Welt Friede den Hütten.

Und Krieg den Palästen.

22.12.2025 – Über KI und Dada.

Google KI neulich über mich. In einer älteren Version war von mir noch als Ikone die Rede. (An dieser Stelle ausnahmsweise Grüße, an meinen kleinen Bruder. Er weiß, warum 😉) Geschenkt, ich find’s auch so freundlich. Ich hab mich halt nur gefragt, warum ich angesichts dieser warmen Worte – die einem anderen als mir glatt die Schamröte ins Gesicht gepflanzt hätten – nicht schon längst das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen habe. Oder das Eiserne Kreuz, irgendein Lametta halt.

Eins hatte ich allerdings schmerzlich vermisst in dieser Laudatio: Den Hinweis auf mein wahres Lebenswerk, das mich so turmhoch über alle anderen Ameisen des Betriebes in den Olymp der Kulturschaffenden erhebt. Mein wahres Lebenswerk, welches aus mir einen Titan der Aufklärung, ein stabiles Genie der Menschheit, einen göttergleich verehrten Liebling der Massen gemacht hat. Zumindest hatte ich das gehofft….

Also ließ ich die Google KI auf SCHUPPEN 68 los. Und siehe, so sprach die KI:

Zwei kleine Korrekturen: Mit den S 68 Aktionen sollten AfD-Wählerinnen nie angesprochen, sondern mindestens verarscht werden, wenn nicht gar schlimmeres. Und der letzte Satz im ersten Bild ist etwas sinnreduziert: „ … Regionen mit starker AfD-Unterstützung, wo Armut und Armut zusammenfallen.“ Gemeint ist, wo Armut und hohe AfD-Wahlergebnisse zusammenfallen. Aber sonst ist das Ganze, bis auf einen etwas umständlichen Satzbau, eine derart präzise Zusammenfassung ungezählter Medienberichte der letzten Jahrzehnte, in Sekundenbruchteilen, dass einem angst und bange werden könnte, wenn es das nicht schon längst ist.

Dazu passt: Letzte Woche rief ich einen Tischler an, der soll was reparieren. Die Dame am Telefon fragte präzise nach, ich hab’s nicht so mit dem Handwerk, da fehlen mir mitunter die Begriffe. Die Dame fasste nochmal zusammen. Von mir aus hätte sie noch etwas kommunikativer sein können, bisschen Smalltalk und so, aber es war völlig ok, das Ganze war ja kein Neujahrs-Empfang. Bei einem Zweitanruf verstand ich dann ihren Namen, bei sowas stelle ich sonst immer auf Durchzug, weil ich eh schwerhörig bin:

„Sie sprechen mit einer KI“.

Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die ersten Tischlerroboter zur Arbeit anrücken. Das ruft jede Menge ethische und soziale Fragen auf. Wie: Gibt man denen eigentlich Trinkgeld oder drückt man denen eine Kanne Maschinenöl in die Gelenke?

Nicht gerade angst und bange aber zumindest doch bedenklich wird mir schon wegen der rasenden Entwicklung und Geschwindigkeit von KI. Die Arbeitswelt und damit unsere Gesellschaft verändert sich bereits jetzt. Arbeitsplätze, zunehmend qualifizierte, werden von KI ersetzt. Uns geht zwar die Erwerbs(!)-Arbeit nicht aus, aber die von lebendigen Menschen erledigte wird zunehmend eine dienstleistungsorientierte, körpernah-analoge, minderqualifizierte, nicht existenzsichernde. Eine Dienstbotengesellschaft. Während am anderen Ende obszöner Monsterreichtum von Wenigen regelrecht explodiert.

Technologische, und damit auch kulturelle, Entwicklungen wie KI sind immer auch Vorboten, Treiber von politischen Umwälzungen. Vorboten und Treiber des frühen Faschismus waren technologische Quantensprünge vor dem ersten Weltkrieg, was sich in dessen industriellem Massengemetzel auf Grund verbesserter Waffentechnik ausdrückte, siehe Maschinengewehr, Panzer, Flugzeuge. Verbesserte Technologie, rasende Geschwindigkeit, explodierende Effizienz, am Ende (des Ersten Weltkriegs) war die Welt eine andere, der Irrsinn hielt Einzug in die Moderne. Diese technologische Entwicklung von Raserei und Irrsinn fand ihren kulturellen Ausdruck in der Kunstrichtung des italienischen Futurismus und wenig später im Dadaismus. Beide fielen zusammen mit dem Wetterleuchten des Faschismus am Horizont. Mit einem qualitativen Unterschied: Die Künstler*innen des Dadaismus waren oft jüdisch, im Zweifel revolutionär und Parteigänger verschiedener KPen. Der italienische Futurismus sang Lobeshymnen auf den Mussolini-Faschismus.

Verbindend und Fakt ist: Mit ihrer Manifestation von Explosivität, rasender Geschwindigkeit, Raserei, Irrsinn, technologischem Fortschrift, revolutionärem Gestus, der Verachtung überkommener bürgerlicher Welten waren beide Kunstrichtungen bei allen Unterschieden Propheten, Vorboten, Menetekel der kommenden Epoche des Zivilisationsbruches und des Untergangs, des Faschismus.

Für mich stellt sich über hundert Jahre später die Frage der Analogien. Was ist Raserei, was Irrsinn und wieviel davon Vorbote eines postmodernen Faschismus?

 Liegt irgendwie auf der Hand: Die Raserei, die rasende Geschwindigkeit mit ihrem enormen Vernichtungspotential menschlicher Fähigkeiten und lebendiger Äußerungen wie Erwerbsarbeit entspricht der KI. Und der Irrsinn, die Dada-Vernichtung von Sinn und Vernunft (nicht: Verstand!), sind die sozialen Medien.

20.12.2025 – Über Schreiben

Dezemberrose im Garten. Lichtblick in düsteren Zeiten.

Die Zeiten sind düster. Die Jahreszeit ist es auch. Und dieses Zusammenspiel drückt selbst einer norddeutschen Frohnatur wie mir zunehmend auf das Gemüt. Hölderlins Klage

„Weh mir, wo nehm‘ ich, wenn

Es Winter ist, die Blumen, und wo

den Sonnenschein und Schatten der Erde?“

ließe sich kurzfristig ja durch Flucht in den mediterranen Süden beheben. Aber natürlich bezieht sich seine Klage auch auf die inneren Kontinente und die nehmen wir mit auf unsere Reisen. Nachrichten wie die vom antisemitischen Massaker am Bondi Beach klicke ich schon gar nicht mehr an. Mir reichen die Schlagzeilen: Vater und Sohn die Täter und das am friedlichen Chanukkafest. Dann kommen mir Gedanken wie: Die Pforten der Hölle haben sich wieder einen Spalt mehr geöffnet. Aber solche Taten sind nicht apokalyptisch einmalig. So düster, schlimm und roh die Zeiten auch sind, ein Blick in die Vergangenheit zeigt, sie waren düsterer, schlimmer und roher in einem Maß, welches menschliche Vorstellungskraft übersteigt. Ca. 200.000 Deutsche waren direkt am Holocaust beteiligt, also daran, Menschen wie Vieh in die Gaskammern zu treiben und ca. 700.000 waren direkt an Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs beteiligt, also an der Ermordung, Vergewaltigung, Verstümmelung von Millionen Unschuldigen. Viele von den Tätern haben unbehelligt nach dem Krieg weitergelebt, geheiratet, Kinder großgezogen, später mit Haus im Grünen, Auto, erster Mallorca-Reise. Ihre Kinder und Enkel zogen später in großzügige Stuckwohnungen in Prenzlauer Berg, fuhren Lastenräder, machten Urlaub auf den Malediven, zogen Kinder groß und machten Karrieren.

Im linken Milieu. Im Kulturbetrieb. Vielleicht als Museumsdirektor. Im Potsdamer Museum „Fluxus+“. Wo der zuständige Direktor verantwortlich ist für eine Ausstellung, in der Anne Frank mit Palästinenser-Tuch gezeigt wird. Das Bild des Holocaust-Opfers stammt von einem Berliner Künstler, der sich, das nebenbei, Marxist nennt. Anne Frank ein Palästinenser-Tuch umzuhängen, heißt nichts anderes als ihre jüdische Identität auszulöschen und mit einer palästinensischen zu überschreiben. Dieses Bild ist die ästhetisierte, ins Künstlerische fortgeschriebene, vollkommen zu Recht in Deutschland verbotene Forderung der Antisemiten der Welt: From the river to the sea. Also der Forderung nach der Auslöschung des jüdischen Staates. Und damit der Vernichtung seiner jüdischen Bevölkerung, denn nichts andres ist das Endziel der faschistischen Hamas und anderer Terrorgruppen aus der Region. Die nach wie vor einem großen Teil der Bevölkerung getragen und unterstützt wird.

Wäre ich jünger und handwerklich geschickter, reiste ich in die dreimal verdammte Ostzone und ließe Feuer und Schwefel über dem Fluxus-Museum und Potsdam regnen. Was den angenehmen Nebeneffekt hätte, dass die verfluchte Potsdamer Garnisonskirche mit vom Erdboden vertilgt würde. In ihr fand am 21. März 1933  der feierliche und von den Kirchen gesegnete Schulterschluss der konservativen und faschistischen Eliten der Weimarer Republik statt. So nahm der Nationalsozialismus, der Holocaust seinen Lauf. So schließen sich die sieben Kreise der Hölle.

Die Aussichten sind düster. Wolken am Himmel. Strenger Frost um Weihnachten. Wo aber, um im Hölderlinschen Duktus zu bleiben, wächst das Rettende? Draußen eher nicht. Sollte also auch Ihr Gemüt, liebe Leserinnen, mitunter düster verwölkt sein, empfehle ich Ihnen Schreiben. Schreiben befreit. Wenn Sie dem Schrecken einen Namen geben, ist er gebändigt, gezügelt. Seine namenlose Bedrohung hat dann einen Begriff. Nichts ist bedrohlicher als namenloser Schrecken und die Benennung des Schreckens ist der erste Schritt auf dem Weg zur Heilung. Nicht in der Welt, aber für Sie. Ob Sie es analog oder digital machen, als Tagebuch oder Blog, über die Welt oder Ihr eigenes Ich, ist egal, Hauptsache regelmäßig, am besten täglich.

Außerdem kann Schreiben durchaus lustvoll sein. Einer gelungenen Formulierung, präzisierten Erkenntnis sur le point, einem geistreichen Genieblitz kann man schon mal lange und genussvoll hinterherschmecken wie einem Vintage-Portwein, was ohne Frage das größte Geschenk ist, was Trauben und Erfindungsgeist der Menschheit machen können. So viel über Schreiben.

Und damit wir etwas geerdeter aus dieser Therapiesitzung gehen: Ein weiteres Mittel gegen Gemütsverfinsterung ist natürlich die Entdeckung fremder, fröhlicher Kontinente jenseits der eigenen, oft tief eingetretenen, abgelatschten, trüben Alltags-Wege.

Nicht ganz meine Welt, aber ein fröhlicher Lichtblick: Konzertplakat in SO 36. The Golden Cocks im „Franken“. Cock mit Hahn zu übersetzen, trifft es eher nicht ….

In ihrer Art auch ein Lichtblick, weil jenseits der Norm: Toilette in der „Eck-Kneipe“ am Kreuzberger Mariannenplatz. Wenn ich am Mariannenplatz bin, kehre ich da immer auf ein Bier und ein Korn ein.

Ist ein Ritual, was ich selbst bei Minusgraden und 12 Uhr mittags durchziehe, wo kalte Biere und Körner eigentlich das Letzte sind, was ein Connaisseur zu sich nimmt. Aber Rituale sind auch heilsam in düsteren Zeiten.

18.12.2025 – Das Marxsche Verelendungspendel schlägt zurück

Demo gegen Sozialabbau am 16.12 in Hannover. Ich hatte geschätzt, dass vielleicht 1000 bis 2000 Teilnehmende dabei sein würden, also angesichts der in die Hunderttausende gehenden Zahl von potentiell Betroffenen allein in der Region Hannover eine deprimierend geringe Zahl.

Es waren maximal 300. Ein Desaster, das nur unwesentlich durch den Gedanken an die heroischen 300 Spartaner gemildert wurde, die angeblich 480 vor unserer Zeitrechnung die Thermopylen gegen Zehntausende Perser verteidigt haben und dabei den Heldentod fanden, wenn man Herodot glauben will.

 Nach einer Stunde war mir die Kälte in die Knochen gezogen und ich floh in Richtung Wärmendes von der Wallstatt. Mit dem Heldentod hab ich es auch nicht so, bin eher der Typ Vaterlandsverräter und Deserteur. Passend zu dieser martialischen Assoziation kam mir ein Artikel von Gabor Steingart aus dem „Focus“ unter die Augen. Steingart ist ein neoliberaler Wutbürger, aber gebildet, kenntnisreich und schreiben kann er. Der Focus hat sich mehr noch als Springers „Welt“ zu einem Sprachrohr der AfD entwickelt. Beide zusammen haben eine Auflage von über 600.000. Soviel zur medialen Reichweite von faschistischen AfD-Positionen bis weit hinein ins früher gutbürgerliche Lager.

Unter der Überschrift „Vom Facharbeiter zum „Nulllohn“-Menschen: Wie der Markt knallhart ausgrenzt“ schreibt unser AfD-Apologet Steingart über die Auswirkungen der Globalisierung hierzulande , Zitat:

 „Die Lohnanpassung im Westen kennt zwei Erscheinungsformen, und nur eine davon ist für alle sichtbar. Es handelt sich dabei um die reguläre Lohnsenkung, wie sie heute für Arbeiter und kleine Angestellte im Westen gang und gäbe ist: mehr Arbeiten für weniger Geld, reduzierte Zulagen, dafür höhere staatliche Abgaben. In allen Ländern des Westens fand ein Abschmelzen der einfachen Löhne statt. Die zweite Form der westlichen Lohnanpassung ist gefährlicher, weil man sie in keiner Einkommensstatistik findet. Man neigt dazu, sie zu unterschätzen oder gar zu ignorieren. Die Lohnhöhe sinkt in diesem Fall auf null Euro (= meint: Massenentlassungen bei „uns“ auf Grund der globalen Konkurrenz, d. A.)…..

… Die Alternative lautet heute nicht Hochlohn oder Billiglohn. Die Alternative für Millionen Menschen in einfachen industriellen Berufen lautet Billiglohn oder gar kein Lohn. …

Für die deutsche Gesellschaft, vor allem den Mob der potentiellen AfD-Wähler, gilt daher nach Steingart folgender Marsch in eine düstere Zukunft des Billiglohns als Amazon-Lieferfahrer und des Sozialabbaus: „

… Eine Politik der hohen Regulierungsdichte und steigender Sozialabgaben beschleunigt den Prozess. Der Industriearbeiter wird mit derart hohen Abgaben belastet, dass er unter dieser Last zusammenbricht. Die SPD, die ihn retten sollte, versetzt ihm mit ihrer Politik den Todesstoß. Der Weltarbeitsmarkt hört nicht auf das Kommando von Bärbel Bas. …“

Das theoretische Fundament dieser halbrichtigen Einsichten ist aber natürlich nicht vor 100 Jahren als Theorie des Arbeitslohns auf dem Mist des von Steingart zitierten Soziologen Oppenheim gewachsen, sondern wurde vor über 150 Jahren von Karl Marx im „Kapital“ entwickelt und nennt sich Verelendungstheorie.

Die stimmte relativ, weil global gesehen, schon immer. Der bescheidene Wohlstand, der den Proleten im hiesigen globalen Norden für ein paar Jahrzehnte gegönnt wurde, basierte immer auch auf den Knochen – und das im wahren Sinn – der Ausgebeuteten und Unterdrückten im globalen Süden. Der Vorwurf gegen Marx, dass die absolute Verelendung der hiesigen Proleten Unsinn sei, hatte viele Jahre angesichts von Eigenheim, Auto und Malle-Urlaub für die einheimischen Facharbeiter seine Berechtigung.

Nun aber schwingt das Marxsche Verelendungspendel nach jahrzehntelanger Verzögerung mit voller Wucht zurück und kegelt Millionen von bisher Abgesicherter von der immer rasender rotierenden Scheibe der wirtschaftlichen Entwicklung ins prekäre Elend. Mittlerweile gibt es auch bei uns Formen von absoluter Armut, die es früher nur im globalen Süden gab.

Steingart formuliert das anschaulich und fast so gut wie ich: „

… Dieses Aussteuern gut bezahlter Stammbelegschaften aus dem glühend roten Kern der Volkswirtschaft und ihre Überweisung auf die Kruste oder in die Randzonen der Produktivität ist die brutalste und dennoch in Europa die gebräuchlichste Form der Lohnangleichung nach unten…. „

Was unser Wutbürger richtig und zwangsläufig findet, vor allem, weil es ihn nicht betrifft. Nichts läge ihm ferner als die rettende Idee der internationalen Solidarität und eines radikalen Klassenkampfes.

Ich aber werde dereinst für den Begriff „Marxsches Verelendungspendel“ in die Annalen der Soziologie eingehen.

14.12.2025 – Der politische Jahresrückblick zeigt, dass der Jahresausblick noch finsterer ausfällt, als in düsteren Dystopien ausgemalt

Auftritt als Kunsthausierer bei der AWO. Fiel mir beim Jahresrückblick in die Hände. Spontan fiel mir als Bildunterschrift ein: Hahn mit Korb. Aber das könnte zu völlig falschen Assoziationen verleiten.

Auch wenn ich hier oft und gerne auf Verbänden wie der AWO, Gewerkschaften, rotgrünen Parteien rumhacke, inklusive der Linken wegen ihres immer noch ungeklärten Antisemitismusproblems, bleibt festzuhalten: Für den Erhalt unserer Demokratie haben wir aus zivilgesellschaftlicher Perspektive nichts anderes. Wir können uns eben keinen antifaschistischen Ponyhof schnitzen. Und immerhin hat die AWO ja noch den Sozialismus irgendwo in ihren Statuten stehen.

Der politische Jahresrückblick zeigt, dass der Jahresausblick noch finsterer ausfällt, als in düsteren Dystopien ausgemalt. Ich beschränke mich hier nur auf die AfD. Hätte jemand vor fünf Jahren prognostiziert, dass in diversen Bundesländern – die alles Mögliche sind, nur nicht divers – die AfD an die Alleinregierung gelangen kann, der, die oder das wäre in die   Klapsmühle eingeliefert oder – schlimmer noch – nicht ernst genommen worden. Heute ist nichts realistischer als die Machtübernahme der AfD in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern bei den Wahlen im nächsten Jahr. In beiden Ländern liegt die AfD um die 40 Prozent, mit riesigem Vorsprung vor der nächsten Partei. Und andere Parteien wie teilweise SPD, auf jeden Fall Grüne, FDP sowieso, und auch BSW werden in den Landtagen nicht mehr vertreten sein, so dass es für eine AfD-Mehrheit reicht. Dann hat die Brandmauer sich aus ganz anderen Gründen als Scham oder antifaschistische Restüberzeugung erledigt, nämlich aus mathematischen. Die CDU wird für die Duldung einer AfD-Minderheitsregierung schlicht nicht mehr gebraucht. Die kann, nach Turnvater Jahn, frisch, fromm, fröhlich, frei durchregieren. Letzterer übrigens ein ganz übler Rassist, Antisemit, Nationalchauvinist, wie die ganze Gilde der Körperertüchtiger. Die Körper ertüchtigen wird auch die AfD und nicht nur das.

Sie wird im Fall einer Regierungsübernahme  mit erheblichen staatlichen Mitteln Ressentiments, Stereotypen, Rassismus, Nationalchauvinismus fördern. Beispiele:
– Die Landeszentrale für politische Bildung wird von ihr wegen ihrer Erinnerungskultur in Bezug auf die NS-Zeit kritisiert. Stattdessen soll nach dem Willen der AfD ein »Landesinstitut für staatspolitische Bildung und kulturelle Identität« geschaffen werden, dass sich der Brauchtumspflege, Tradition, Sprache, Geschichte und Landeskunde zu widmen hätte. Das ist auch mit einem Koalitionspartner CDU sofort umsetzbar.

– Unliebsame Lehrstühle und Wissenschaftsfreiheit werden angegriffen und, wo möglich, abgeschafft (wobei ich persönlich nichts gegen die Streichung von postkolonialen Studien hätte. Da kommt im Zweifel nur Antisemitismus raus)

– Kultureinrichtungen in Ländern und Gemeinden werden schon jetzt mit »Kriegserklärungen« überzogen – etwa weil Theater des Landes kaum »deutsche Stücke« aufführen oder einem Ballett zu viele Tänzer ohne deutschen Pass angehören.

Gesellschaftliche und staatliche Institutionen sind auf diese Strategie nicht vorbereitet. Und bei dem im Land vorherrschenden Opportunismus möchte ich den Chef einer Kulturinstitution sehen, sei es Theater, soziokulturelles Zentrum, NGO, was auch immer, der dem die Institution fördernden AfD-Ministerium nicht in den Arsch kriecht.

In den meisten Institutionen, die für unsere Demokratie wichtig sind, dominiert immer noch Ignoranz oder Selbstbeschäftigung. Die Kritik, die der ehemalige Foodwatch-Gründer Thilo Bode an feigen NGOs und Zivilgesellschaft artikuliert , richtet sich nur gegen deren Opportunismus in Sachen Staat und Unternehmen. Um wieviel radikaler muss diese Kritik ausfallen, was deren nicht vorhandenen Antifaschismus betrifft.

Die AfD rückt auf breiter, brauner Front siegreich vor. Sie delegitimiert die Existenz von Institution in ihrem jetzigen Zustand und stellt ihre Handlungspraxis komplett infrage. Letztlich führt dieser Angriff zur Disruption, zur Zerstörung von Institutionen. Siehe Frauenhäuser, Jugendzentren, Beratungseinrichtungen.

Sie destabilisiert Institutionen, indem sie nicht deren Existenz infragestellt, sondern deren Regelwerk und Handlungspraxis autoritär umbauen wird. Siehe Familienverbände, Teile der Wohlfahrt.

Staatsapparate wie Polizei, Bundeswehr, Sicherheitsdienste stehen eh schon jetzt rechts von der AfD.

Rechte Betriebsratsgruppen destabilisieren die Gewerkschaften. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die ohnehin autoritär disponierte und AfD-wählende Facharbeiterschaft, zusätzlich getrieben von Deindustrialisierung, in Scharen mit braunen Fahnen zur denen überläuft.

Dass als erstes der öffentlich-rechtliche Rundfunk sturmreif geschossen wird, durch AfD-Kündigung der diesbezüglichen Staatsverträge, ist so selbstverständlich, dass es hier nur am Rande erwähnt sei.

(Siehe auch Frankenberg und Heitmeyer: „Systemwechsel von innen“ )

Auf ein fröhliches 2026, immerhin mit einer Fußball-WM.

Der perfekten nationalchauvinistischen Volksverblödungsmaschine. Nicht auszudenken, wenn die Ostgoten den Titel holen. Eine grauenhafte Vorstellung.

12.12.2025 – Portion 🍟 fünf Euro

Denkmal vom „Zentrum für Politische Schönheit ZPS“ für den von Faschisten ermordeten CDU-Landrat Walter Lübcke, vor dem Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Parteizentrale in Berlin. Eine gutgemeinte, aber schlecht gemachte politische Intervention. Gut gemeint, weil gegen den Rechtsruck unserer Gesellschaft gerichtet. Schlecht gemacht, weil der Ermordete als Vehikel für die politische Botschaft benutzt wurde, das Gedenken an ihn ein Pseudogedenken. Seine Familie war nicht in die Vorbereitung involviert. Ein No-Go. Kunst darf eben nicht alle Grenzen überschreiten. Nicht die erste Entgleisung des ZPS. 2019 hatte es, ebenso gut gemeint wie grauenhaft gemacht, die Asche von Holocaustopfern in einer Stele vor dem Reichstag platziert, um gegen aufkommenden Faschismus zu protestieren. Zwar ruderte das ZPS später zurück, entschuldigte sich. Aber allein auf eine derart kranke Idee zu kommen, Opfer so zu instrumentalisieren , zeugt von einem bürgerlichen Kunstverständnis, das heutzutage leider gang und gebe ist. Es geht nur ums eigene Fortkommen, den eigenen Erfolg, koste es, was es wolle, und sei es die Unverletztlichkeit der Integrität von Opfern. Ein sehr marktkonformes Verhalten übrigens.

Weihnachtsmarkt am Berliner Humboldtforum.

Auch daneben, aber eher nur dämlich als peinlich, die Aktion „Decolonizing christmas“ von ein paar Berliner Gutmenschen, die die Mythen und Lügen rund um das christliche Weihnachtsfest hinterfragen und dekonstruieren wollten. Prompt entfesselte das Zentralorgan der AfD, die Springerzeitung „Welt“, eine veritable Hetzkampagne gegen die Initiatorinnen. Die wurden, ganz im christlich-vorweihnachtlichen Sinn, derart mit Hass und Morddrohungen überzogen, dass die Kampagne umgehend abgesagt wurde. 1. Wie naiv kann frau sein und so etwas nicht antizipieren? 2. Wie abgehoben kann frau sein und in der aktuellen Krisensituation derartig abgeranzten Ideologieschrott zum Thema machen?

Auf dem Weihnachtsmarkt am Humboldtforum kostet eine Portion Pommes unfassbare fünf Euro . Eine Alleinerziehende, womöglich im Bürgergeldbezug, kann sich einen Besuch mit ihrem Kind auf einem Weihnachtsmarkt nicht leisten. Pommes fünf Euro, Zuckerwatte fünf Euro, einmal Karussell fünf Euro…. Das sind dreimal Tagessatz Ernährung für Jugendliche. Was dieser Ausschluss an selbstverständlicher Teilhabe in unserer ach so christlichen Gesellschaft für die Betroffenen bedeutet, das hätte das ehrenwerte Thema einer vorweihnachtlichen Kampagne sein müssen. Aber nicht diese albernen Gutmenschverrenkungen.

Ich fand’s übrigens schön am Humboldtforum. War alles so schön bunt da…

08.12.2025 – Herr Ober, Zahlen bitte!

Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (der Wert aller im Inland produzierten Waren und Dienstleistungen) seit 2002. Quelle: Destatis. Ein Anstieg von fast 100 Prozent. Die Vermögen in Deutschland haben sich im gleichen Zeitraum auch ungefähr verdoppelt. Wie im letzten Beitrag vom 07.12 gesehen, ist die Zahl der Milliardäre im gleichen Zeitraum um 260 Prozent gestiegen. Es findet also offensichtlich eine Konzentration von Extremvermögen statt.

Wobei Vermögen von Extrem-Reichen chronisch unterschätzt wird, da es seit 1997 keine Vermögenssteuer mehr gibt. Das Bundesverfassungsgericht hatte die 1995 ausgesetzt und eine Neufassung verlangt, weil Immobilien zu günstig veranlagt waren. Statt die Bemessung der Immobilien, deren Wert extrem zugenommen hat in den letzten Jahren, zu erhöhen, macht der Gesetzgeber was?

Garnichts. Das ist Rechtsbeugung.

Dadurch sind dem Staat nach einer Schätzung von Oxfam bis zu 380 Milliarden Euro bisher entgangen. Und es kommen jedes Jahr weiterer Untätigkeit zwischen 70 und 120 Milliarden entgangene Steuern dazu. Auf ausländischen Konten, wie auf den Cayman Inseln, sind ungefähr 220 Mrd. Euro Schwarzgeld aus Deutschland geparkt. Auch hier gilt: Die Summen werden chronisch unterschätzt. Was macht der Gesetzgeber hier, um diese Extrem-Ungerechtigkeit zu mindern?

Seit 2001 hat er die Steuer auf angesparte Unternehmensgewinne in mehreren Schritten etwa halbiert. Der Steuersatz der reichsten Deutschen, Susanne Klatten, sank von 60 auf 30 Prozent .

Und: Die Bundesregierung senkt aktuell die Körperschaftssteuer (u. a. für Kapitalgesellschaften wie GmbHs und Aktiengesellschaften) von 15 auf 10 Prozent bis 2032 und entlastet Unternehmen und damit Susanne Klatten, die Aldi Brothers und Lidl-Schwarz und andere um weitere zig Milliarden.

Wie soll das finanziert werden? Schwarzrot will energisch gegen Bürgergeldmissbrauch vorgehen. Das wird’s bringen. Ganz sicher. Gemessen am Hysteriegehalt der derzeitigen Diffamierungskampagne gegen das Bürgergeld müßte diese Maßnahme der Regierung alle Probleme des Universums lösen. Übrigens: Der Bürgergeldmissbrauch beträgt pro Jahr ca. 220 Millionen. Millionen. Nicht Milliarden. Der Haushalt für Bürgergeld liegt bei 51 Milliarden Euro pro Jahr. Der Missbrauch beträgt also 0,43 Prozent.

Was soll man jetzt mehr „bewundern“: Die handwerkliche „Geschicktheit“ der Regierung im Verein mit den Bürgermedien, die es beide fertiggebracht haben, die Reste des Sozialstaates derartig überzeugend zu delegitimieren, dass der Mob nach einer starken Hand schreit, die diesen Augiasstall ausmisten müsse. Also nach den Faschisten der AfD, die in allen Umfragen unaufhaltsam zulegen. Oder die unfassbare Dummheit und Niedertracht des Pöbels, der umstandslos über jedes Drecksstöckchen springt, das ihm hingehalten wird.

Und wo bleibt das Positive? Mein Traum von Heute Nacht: Die Kavallerie ist im Berliner Regierungsviertel eingerückt und hat die Regierung in Erzwingungshaft genommen, um Schluss zu machen mit der Rechtsbeugung in Sachen Untätigkeit Vermögenssteuer.

Ich aber gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass ich Sie, liebe Leserinnen, in den nächsten Blogeinträgen nicht mehr Zahlen behelligen werden und frage mich, was ist das Gendergegenstück zum Header „Herr Ober, Zahlen bitte!“

„Frau Oberin…?“

07.12.2025 – Der neue Trachtenlook der Spätzwanziger: Die Niedertracht.

Zahl der Milliardäre in der BRD seit 2001 um 260 Prozent gestiegen.

Die Sozialleistungsquote ist im gleichen Zeitraum prozentual um knapp 10 Prozent gestiegen.

Vom logischen und moralischen Standpunkt aus hieße die Konsequenz: Zahl der Milliardäre begrenzen durch gerechte Steuerpolitik. Das Geld der Milliardäre und Superreichen könnte in Infrastruktur, Bildung, Steuerentlastung für Geringverdiener und die Mitte investiert werden, wodurch Arbeitslosigkeit gesenkt würde. Mehr Wohlstand für Viele. Der Konsum würde angekurbelt, Steuereinnahmen steigen, die Sozialleistungsquote würde sinken.

Vom Standpunkt des Kapitals und der willfährigen Polit-Büttel des Kapitals aus heißt die Konsequenz aber genau das Gegenteil: Die Reste des Sozialstaats werden unter Zuhilfenahme einer Mehrheit der Bürgerpresse und des geifernden Boulevards sturmreif geschossen. Der Milliardär gönnt dem Bürgergeldempfänger noch nicht mal mehr das Nichts im Portemonnaie. Zwangsläufige Logik des Kapitals: In der Gier nach Mehr wird erst der globale Süden ausgeplündert, dann der Regenwald, die Meere, der Weltraum (Kometen und Rohstoffe) und irgendwann wird auch der letzte Rest aus dem letzten Rest, den Armen, gepresst. Und wenn die Nichts mehr haben, dürfen sie ihr Leben geben. An den Fronten zukünftiger Kriege. Die BWL-Studenten aus der Elite, die Erben der Milliardäre, wird man mit Sicherheit nicht an den Fronten finden. Die finden immer Wege, sich vor der Wehrpflicht zu absentieren. Für den Pöbel bleibt da nur eine Hoffnung: die Re-Installation des antifaschistischen Schutzwalls, der aber jetzt in die andere Richtung, nach Osten, wirken würde. Mit Berlin als „selbstständige politische Einheit“, so wurde Westberlin früher von der DDR genannt. Hier gibt es dann keine Wehrpflicht und aller Verweigerer der Republik kommen hierher. Eine neue Blüte von Subkultur. Herrliche Zeiten!

Zwischenzeitlich stellt sich nicht nur global, sondern auch im Zentrum der Bestie, im globalen Norden, in Europa, die Frage, wohin mit den immer mehr werden nutzlosen Essern. Die Produktivität stagniert seit Jahren, Arbeitsplätze werden abgebaut, verlagert, dafür vergrößert KI den Rationalisierungsdruck. Natürlich kommt niemand im herrschenden Politikbetrieb auf die logische Idee, diese Rationalisierungsgewinne zu verteilen oder die Übergewinne der Digitalkonzerne abzuschöpfen. Stattdessen stellt sich für den die Frage, was kann man den Nichtshabenden noch abnehmen, außer dem Leben? Organe… ? Organverkauf war bisher das „Privileg“ der Angehörigen des globalen Südens, aber demnächst auch bei uns. Steuerlich begünstigt

Bis es soweit ist, noch zwei Dinge: 1. Der Sozialstaat ist natürlich nicht das Problem, wie es von der vereinten Front der Niederträchtler heißt (Das ist übrigens neue Trachtenlook der Spätzwanziger: Die Niedertracht). Der Sozialstaat ist vielmehr der Reparaturbetrieb der Unfälle, Krisen, Katastrophen des Kapitalbetriebs. Die Sozialquote stieg während Corona logischerweise an, u. a. durch Ausweitung des Kurzarbeitergeldes. Dadurch wurden Arbeitsplätze erhalten und der Profit des Kapitals verstetigt. Die Sozialleistungsquote ist weder überdurchschnittlich hoch im globalen Vergleich, noch sind deren Steigerungen – wenn sie überhaupt in Relation zum Anstieg des Bruttoinlandsproduktes wachsen – in irgendeiner Form besorgniserregend. Bezahlbare Gesundheit, ausreichende Renten, existenzsichernde Absicherung bei Arbeitslosigkeit und Armut, all das erhält die Arbeitskraft und ist Demokratiefördernd.

Und 2. was kann getan werden zum Erhalt des Sozialstaates? Auch angesichts einer Armutsquote von 25 Prozent, wenn man die horrenden Mietzahlungen in Ballungsräumen berücksichtigt, die langsam auch der Mitte der Gesellschaft die Luft abschnürt.

Hier ein paar Fakten dazu von der IG Metall, ansonsten auch eine Bande von Arbeiterverrätern, aber in dem Fall wenigstens auf dem Papier mal nützlich: